Eine Farbfotografie zeigt einen Mann, der ein kleines Kind auf dem Lenker seines Fahrrads sitzen hat. Sie fahren auf einem schmalen, unbefestigten Weg vor einem einfachen Gebäude mit mehreren Fenstern und Türen. Beide blicken freundlich in die Kamera.
Vater und Sohn vor dem Wohnheim in Dinslaken-Lohberg im Jahr 1970. Hier lebte die Familie die ersten Monate in Deutschland, bevor sie eine eigene Wohnung beziehen konnte.
Arzu Mattick / DOMiD-Archiv, Köln

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser

Den Arbeitsmigrant*innen wurden meist Wohnunterkünfte abseits der einheimischen Wohnviertel oder auf dem Betriebsgelände zugewiesen. Ein Eigensinn in der Lebensgestaltung – Arbeitsplatz- oder Wohnortwechsel – war oft gar nicht angedacht. Doch in demokratischen Gesellschaften – auch in einer so jungen wie der damaligen Bundesrepublik – kann das Alltagsleben von Menschen nicht voneinander separiert werden.  

Die Trennung der migrantischen Arbeitskräfte von ihren deutschen Kolleg*innen war vor allem in den ersten Jahren sehr umfassend: Meist wurden sie in werkseigenen Unterkünften untergebracht, die entweder in der Nähe der Betriebe lagen oder von denen aus sie mit Pendelbussen zur Arbeit gefahren wurden. Die Unterkünfte verfügten über Mehrbettzimmer, manchmal über einen gemeinsamen Aufenthaltsraum und allzu häufig über mangelhafte sanitäre Anlagen. Die Miete, die das Unternehmen vom Lohn abzog, war unverhältnismäßig hoch, aber privater Wohnraum war schwer zu bekommen: Migrant*innen erfuhren auf dem deutsche Wohnungsmarkt Diskriminierung und bewohnten daher besonders häufig baufällige Altbauten oder zumindest unterdurchschnittlich ausgestattete Wohnungen, die zu einem vielfach höheren Preis vermietet wurden. Dass sich eine vierköpfige Familie ein Zimmer teilte, war zu dieser Zeit keine Seltenheit. In Köln beispielsweise war privater Wohnraum für türkische Familien in den 1970er Jahren knapp drei Mal teurer als für die durchschnittliche deutsche Bevölkerung. 

Bei vielen Migrant*innen waren Lebens- und Arbeitswelt besonders eng miteinander verwoben, gemeinsame Räume und Anlässe zum Austausch waren gering. In der Freizeit wurden solche Gelegenheiten aber immer wieder aktiv geschaffen. Davon zeugen beispielsweise das Feiern und Musizieren in den gemeinsamen Wohnunterkünften oder Sportereignisse. So entstanden nicht nur Freundschaften, sondern auch romantische Beziehungen und sogar Ehen, die bereits in den 1960er Jahren eingegangen wurden.