Eine schwarz-weiße Fotografie zeigt eine Gruppe von Menschen, hauptsächlich Frauen, die dicht gedrängt im Freien stehen. Einige halten Schilder oder Transparente. Im Hintergrund sind Bäume und Gebäude zu sehen. Die Szene wirkt lebhaft und angeregt.
Mitarbeiter*innen vor dem Werksgelände während des Streiks beim Neusser Automobilzulieferer Pierburg im August 1973.
Peter Leipziger / DOMiD-Archiv, Köln

Langer Atem

Der Alltag vieler Arbeitsmigrant*innen war (und ist) oft von schwerer körperlicher Arbeit sowie von niedrigen Löhnen, schlechten und überteuerten Unterkünften, Diskriminierung und Rassismus geprägt.

Viele Personen empfanden die Gesundheitsüberprüfungen, die bereits in den Herkunftsländern stattfanden, als übergriffige Zumutung. Für Frauen war auch die Prüfung einer Schwangerschaft obligatorisch. Wurden Schwangerschaften übersehen und Frauen dennoch vermittelt, galten sie als umstrittene Fälle von „Fehlvermittlung“, Arbeitgebende wollten vor allem das kostspielige „Problem“ des Mutterschutzes umgehen. Um die zehn Prozent der Untersuchten wurden von der Vermittlung ausgeschlossen. Die Gründe für die Ablehnung waren vielfältig – auffällige Narben konnten genügen - und erlaubten einen hohen Ermessensspielraum. 

Die sogenannten migrantischen Arbeitskämpfe, die dann in Deutschland stattfanden und meist selbst von Migrant*innen organisiert wurden, forderten neben besseren Arbeitsbedingungen auch Veränderungen der migrantischen Lebensrealität. Ihren Höhepunkt erreichten sie im Jahr 1973 mit den besonders bekannten Arbeitskämpfen in den Ford-Werken in Köln oder in dem von Frauen ausgehenden Streik bei Pierburg in Neuss. Während der Ford-Streik in der Spaltung der Belegschaft, einer Entfremdung zwischen migrantischen Beschäftigten und Interessenvertretungsorganen und einem massiven Polizeieinsatz eskalierte, gelang bei Pierburg ein großer Erfolg für die Streikenden: Deutsche und migrantische Kolleg*innen schlossen sich dem Streik der Migrantinnen an und erstritten gemeinsam die Abschaffung der Leichtlohngruppe 2. Einer der Gründe für den Erfolg des Streiks war die frühzeitige Einbindung migrantischer Beschäftigter in die Interessenvertretungsorgane. 

Der Streik kann als Meilenstein für den Kampf um die Angleichung der Löhne von migrantischen, aber auch von weiblichen und männlichen Beschäftigen gesehen werden. Dennoch ist bis heute neben dem Gender-Pay-Gap auch das nach wie vor bestehende Migration-Pay-Gap ein Problem, dem es zu begegnen gilt.